Sechs Wochen Berlin. Eine Zweizimmerwohnung am Landwehrkanal. Die Wohnung hatten wir im Internet gefunden, der Wohnungsschlüssel lag wie per Mail vereinbart „unter dem dritten Blumentopf von rechts auf dem ersten Fenstersims rechts im Hof.“ Die Vermieterin haben wir während unseres Aufenthaltes nicht kennengelernt, denn sie verbrachte den halben Mai und den ganzen Juni in Wieck auf Darss an der Ostsee. Eine fotokopierte Dokumentation auf dem Küchentisch informierte uns über die Regeln, die es in der Wohnung einzuhalten galt. Im Wohnzimmer war ein Plattenspieler, die Plattensammlung liess sich durchaus sehen. Im Büchergestell standen Kunstbücher über den deutschen Expressionismus und Bücher zur Weimarer Republik, die wir an den nicht wenigen nassgrauen Tagen gerne lasen. Am Tag bevor wir wieder die Wohnung verliessen, rief die Vermieterin an. Das Geld sollten wir in das Buch „Peggy Guggenheim. Das Leben. Eine Vernissage“ legen, sie würde das Geld nach ihrer Rückkehr holen. Wir haben am letzten Morgen die Wohnung gründlich geputzt, die Bettwäsche in den Waschsalon gebracht, wieder abgeholt und gefaltet in den Wäscheschrank gelegt. Wären der Frühling und der Frühsommer nicht so feucht gewesen, die zwei Wochen im Mai und die vier Juniwochen in Berlin wären perfekt gewesen, aber für das Wetter konnten weder die Vermieterin noch die Wohnung nichts. Die Geldscheine legten wir wie vereinbart in Laurence Tacous Biografie von Peggy Guggenheim. Wir würden gewiss wieder kommen. Klar. Zwei Wochen später, der Juli war so sommerlich wie ein Sommer eben sein sollte, hallte uns ihre wütende Stimme an einem Samstagmorgen aus dem Telefonhörer entgegen. Wir hätten das Geld nicht hingelegt. Wir sollten uns sofort um eine Ueberweisung kümmern. Die Fotografie vom Geld im Buch, die wir gemacht hatten, war natürlich nicht Beweis genug. Erst als wir den Verdacht äusserten, dass vielleicht die Nachmieter unser Geld genommen und ihr Mietgeld für die zwei Wochen in Peggy Guggenheims Biografie gelassen hätten, liess unsere Vermieterin unsicher und leiser werden. Wir haben in der Zwischenzeit nichts mehr von ihr gehört. Ob wohl das Paar, das nach uns zwei Wochen am Landwehrkanal wohnte, unser Geld vorgefunden und die Miete für die zwei kurzen Wochen im Buch hat liegen lassen?
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