„Grundig Satellit“ hat das Ungetüm geheissen. Ein Weltempfänger, den man angeblich als Segler auf dem Meer keinesfalls entbehren konnte. Neun gespreizte Kurzwellenbänder, Mittelwelle und Langwelle. Ein schweres schwarzes Objekt mit breiter Sucherskala und Knöpfen und Hebeln zur Feinabstimmung beim Empfang ferner Radiosender, ausgestattet mit einer langen schwenkbaren Antenne. Es gab noch einen anderen Weltempfänger, den National Panasonic RF 8000, nicht weniger schwer, nicht weniger elegant, nicht weniger billig. Die Weltempfänger waren teuer, zu teuer. Und ich war kein Segler. Und doch wollte ich unbedingt, Radiostationen wie den niederländischen Wereldomroep Hilversum, Kol Israel La Olam aus Jerusalem, Radio Ottawa, Voice of America oder den BBC Worldservice in bester Empfangsqualität hören können. Als Jugendlicher stellte ich mir vor, mir nur beim Hören und Vergleichen verschiedener Radiostationen ein wirklich objektives Bild von der Weltlage machen zu können. Die Sender der UdSSR kamen als Informatuonslieferanten nicht in Frage, schliesslich war es die Zeit des Kalten Krieges. Ich kann mich gut daran erinnern, wie ich vor dem Schaufenster eines Radiogeschäfts in München stand, den „Satellit“ von Grundig lange anschaute und mich dann doch getraute, den Laden zu betreten. Die Empfangsqualität mitten im Stadtzentrum und ohne Dachantenne sei nicht so ideal, entschuldigte sich der Verkäufer für die Störgeräusche und drückte mir einen Prospekt in die Hand, in dem eine Reihe von Antennen zu sehen war, die man unbedingt auch erwerben müsste, um die Welt in bester Qualität zu sich zu holen. Das war in den 70er Jahren als japanische Produkte noch als Kopien deutscher und amerikanischer Produkte belächelt wurden. Vom Kauf des japanischen Weltempfängers Sony CRF – 320 mit seinen 32 gespreizten Kurzwellenbändern, der doch um eine Stufe professioneller aussah als das Grundigmodell, riet der Mann entschieden ab, weil die Japaner technologisch doch noch nicht so weit seien wie die Deutschen. Den Grundig Satellit konnte ich mir nicht leisten. Und den kleineren Ocean Boy mochte ich nicht kaufen, Ocean Boy klang nach einem Spielzeug, konnte nichts ernsthaftes sein. Es gab damals noch den amerikanischen Zenith Trans Oceanic Royal 7000 Y, für den in den Heften von National Geographic Magazine regelmässig geworben wurde. Der sah jedenfalls nach einer Königsklasse von Kurzwellenempfängern aus. Nur gab es den weder in Deutschland noch in der Schweiz zu kaufen. Heute verfolge ich manchmal Sendungen von weit entfernt liegenden Radiostationen mit dem iPad. Anders als früher ist die Empfangsqualität hervorragend. Und heute geht es mir hier nicht um News, die ich hören möchte. Vielmehr möchte ich Holländisch oder Hebräisch, ein wunderbares Englisch oder ein schönes Französisch hören. Die schweren Transistorenradios mit ihren gespreizten Kurzwellenbändern wären mir nicht eingefallen, wäre ich nicht dieser Tage ausserhalb der Ortschaft Beromünster am ausgeschilderten „Radioweg“ vorbeigefahren, der mich zum Sendemast des Kurzwellensenders gleichen Namens geführt hat. Es ist eine Art Stationenweg, an dem immer wieder eine wetterfeste Hörstation die Geschichte des längst eingestellten Kurzwellensenders wiedergibt.
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