Gutefrage.net (Talmud 1)

Seitdem ich weiss, dass ich demnächst nach Korea fliege und es Freunden erzähle, kommt immer diese Frage: „Korea? Nordkorea oder Südkorea?“. „Hoffentlich nicht Nordkorea“, hat jemand gesagt. „Wir wollen dich doch wieder haben“. Die zweithäufigste Frage lautet: „Du machst Ferien in Korea? Was macht man denn eigentlich in Korea, Badeferien?“. Und dann folgen die nächsten Fragen: „Welches Alphabet haben die Koreaner?“. „Und wie steht es um den Wechselkurs?“. „Was bringt man mit aus Korea? Du wirst doch nicht einen Hyundai mitbringen?“. Bis Dani mich anrief. Dani ist Mitglied einer jüdischen Gemeinde und weiss, dass ich einen Flair habe für alte jüdische Friedhöfe und für alte Synagogen. „Gibt es koreanische Juden?“, lautete seine Frage. Daran hatte ich gar nicht gedacht. Und ich hatte keine Antwort zur Hand. Ich habe sogleich im Index meines APA Reiseführers Korea nachgeschaut. „Judo“ stand da unter J. Nur „Judo“. Im englischsprachigen ‚Lonely Planet Korea‘ waren eine Menge Einträge unter dem Buchstaben J. Es waren Namen von Ortschaften, gar nicht so leicht auszusprechen: Jinjusanseong oder Jikjisa. Fazit: No Jews at all. Mein ‚Insider’s Guide Korea’, den ich in einem Antiquariat gekauft habe, erschienen bei Kümmerly+Frey im Jahr 1988, wies unter dem Buchstaben J mehrmals den Begriff Japan auf. Fehlanzeige also auf der ganzen Linie. Ich war wieder einmal froh um Google, der mich zu der mir bis anhin nicht bekannten Site mit der Bezeichnung „Gutefrage.net“ führte. Hier wartete Danis Frage auf mich: „Gibt es Koreanische Juden?“ lautete der Eintrag. Gestellt hatte die Frage jemand mit dem Namen oder wohl eher mit dem Pseudonym FulgieraY. „Gutefrage.net“ zeigte die Reaktion eines Menschen mit Vornamen David auf die Frage von FulgieraY: „Nein! es gibt auch keine weißen Neger.“ Worauf jemand ergänzte: „Nein, aber es gibt schwarze Chinesen.“ Eine Person mit dem Decknamen „Juli 1405“ reagierte auf Davids kurze Antwort mit der simplen und klaren Antwort: „Es gibt überall auf der Welt Juden ;)“. Darauf meldete sich eine andere Person mit dem Pseudonym Q: „Es gibt eine jüdische Gemeinde in Seoul, die vor allem aus Angehörigen des US-amerikanischen Militärs besteht. Aber es gehören auch einige wenige zum Judentum konvertierte Südkoreaner dazu.“ Ich überlegte mir kurz, weshalb ausgerechnet Koreaner Juden werden wollen. Und ob koreanische Juden nach Israel auswandern wollen, weil sie in Korea kein koscheres Fleisch kaufen können. Und benutzen koreanische Juden auch in Israel beim Essen wohl Stäbchen? Schlüssige Antworten auf diese bohrenden Fragen fielen mir nicht ein, bis mir Google sei Dank auf der Homepage mit dem Namen „israel heute.com“ folgende Notiz auffiel: „Fast 40 Millionen Koreaner studieren in der Schule täglich den Talmud, um solche Genies, wie die Juden zu werden.“ Das hatte laut Google der südkoreanische Botschafter Young Sam Ma im israelischen Fernsehen berichtet. Nun weiss ich, dass Südkorea 50 Millionen Einwohner zählt. Das bedeutet, dass eine Minderheit keinen Talmud kennt. Ich las weiter: „Fast jedes Haus in Südkorea besitzt eine übersetzte Version des Talmuds, das als Pflichtliteratur in den Lehrplan der Schulen integriert ist. In einem Land mit 50 Millionen Menschen, von denen die meisten Christen oder Buddhisten sind, lesen somit mehr Menschen den Talmud als im jüdischen Staat – oder besitzen mindestens eine Kopie davon. Südkoreanische Mütter lesen ihren Kindern sogar daraus vor“. Mir fielen die grossen schwarzen Talmudbände ein, die ich in einem Seminar habe lesen müssen. Und ich hatte Mitleid mit den Kindern Koreas, wo doch die Talmudtexte so häufig wahre intelektuelle Knacknüsse sind. Koreanische Kinder, sage ich mir, müssen einen gesunden tiefen Schlaf haben, wenn ihnen ihre Mütter abends Passagen den Talmud vorlesen.

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Eine Antwort zu Gutefrage.net (Talmud 1)

  1. Heinz Egger sagt:

    Das ist der längste judische Witz, den ich kenne. Und einer der besten. Wie so oft in solchen Geschichten gibts eine Lehre darin: Das Web füllt dir jede Wissenslücke. Allerdings, das ist die Krux, weniger „reliable“ als der Talmud.

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