sapere non potere

„Es sind so viele Schwarze in Italien“, sagte Maria. „Und sie verkaufen überall Taschen. Alles Fälschungen. Und sie sind aufdringlich.“ Ich habe in Domodossola einen einzigen Schwarzen gesehen. Er schlenderte durch die Altstadt von einem Platz zum nächsten, an der Piazza del Mercato sah ich ihm zu, wie er entlang den ersten Tischreihen der Cafés langsam von einem Tisch zum nächsten ging, freundlich lächelnd bot er seine Ware an. Keiner, der ihm etwas abkaufte. Keiner, der sich zeigen liess, was er in seinem Bauchladen mitführte. Ich sass in einer der hinteren Tischreihen und hatte Mitleid mit ihm, weshalb ich meinen Capuccino bezahlte und mich in einem der anderen Cafés am Platz in der ersten Tischreihe setzte. Nach einer halben Stunde war der Schwarze bei mir. Ich kaufte ihm ein Paar Schnürsenkel ab, eine Viererpackung Batterien und einen Kamm, obschon ich mich mit meinem spärlichen Kopfhaar gar nicht kämmen muss. Als ich ihn fragte, ob er sich zu mir hinsetzen möchte, ich würde ihm gerne einen Kaffee anbieten, lehnte er freundlich ab. Der Wirt würde das gewiss nicht gerne sehen. Ich habe über sein Italienisch gestaunt. Aber nach neun Jahren in Italien würde ich auch so gut und akzentfrei Italienisch sprechen, dachte ich. Und mir fiel ein, dass auf Italienisch die Beherrschung einer Sprache mit dem Verb ‚sapere’ und nicht mit ‚potere’ ausgedrückt wird. So viel hatte ich von meinen Stunden bei Filomena behalten. Der schwarze Verkäufer stammte aus Asmara, er lebe von den Touristen und am besten bei schönem Wetter und von den Schweizern. Zehn Euro hatte ich ihm gegeben. Die braunen Schnürsenkel hab ich im Hotelzimmer liegengelassen, auch den Kamm. Mal sehen, ob ich für die vier Batterien einen Verwendungszweck finden werde.

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