Zwei Bücher hatte ich für die eine Urlaubswoche mitgenommen. Nir Barams „Gute Leute“ und Ransmayrs „Atlas eines ängstlichen Mannes“. 159 Seiten „Gute Leute“ habe ich geschafft, dann habe ich es aufgegeben. Zwar lobten zwei namhafte Autoren und eine seriöse Tageszeitung auf dem Buchcover Barams Roman. Ich aber quälte und langweilte mich durch die Schilderungen Berlins und Leningrads der Vorkriegsjahre eines Israeli, von dem ich lieber etwas über sein Land gelesen hätte. Ransmayrs Kurztexte, die alle mit dem Satz „Ich sah….“ beginnen, liessen sich unmöglich auf Zypern lesen: Da öffneten sich siebzig Schauplätze von Bali bis Sri Lanka, eine einzige Schilderung sei nicht selbst erlebt, schreibt der weitgereiste Autor, dessen Bücher ich liebe. Aber wollte ich an der Westküste Zyperns Menschen und Landschaften aus siebzig Schauplätzen rund um den Globus kennenlernen? Es ging nicht. Beim vierten Text und bereits bei Seite 40 legte ich das Weltenbuch zur Seite. Jetzt fehlte mir aber Lesestoff für die langen Abende auf einer Insel, auf der es wenige Minuten nach 17 Uhr schon dunkel ist. Im einzigen Kafenion am Ort lagen zwar zypriotische Tageszeitungen auf. Nur konnte ich sie nicht lesen. Ein Zufall half mir zu neuem Lesestoff: Bei einem Spaziergang durch die kleine Kreisstadt Polis entdeckte ich am Eingang von Tina Tamamounas Café Kivotos neben der Menükarte einen Hinweis auf eine „Kleine deutschsprachige Urlaubsbibliothek“. Fünfzig Cents kostet hier ein Leihbuch, rund 250 Bücher weist die Bibliothek auf: Krimis, Liebesgeschichten, Urlaubsschmöker, Romane und alte Hefte der Kulturzeitschrift „DU“. Ich habe zwei Bücher mitgenommen. Jenny Erpenbecks „Heimsuchung“ und Kathrin Schmidts Roman „Seebachs schwarze Katzen“. Bevor Sie wieder abreisen, einfach wieder vorbeibringen, sagte Tina Tamamounas, die ihre private Bibliothek Touristen zur Verfügung stellt. Und sollte sie gerade nicht da sein: Die Bücher einfach auf dem Tisch neben dem Eingang hinlegen. Ich habe die „Heimsuchung“ fertig lesen können. Eine beeindruckende und mit der Zeit auch etwas sehr detailreiche Geschichte eines Hauses und seiner Besitzer an einem See unweit von Berlin. Bei Schmidts Roman war ich am Abreisetag erst auf Seite 138 von 286 Seiten angelangt. Ich gebe zu, dass ich das Leihbuch mit in die Schweiz genommen habe. Jetzt fehlt es in der „Keinen deutschsprachigen Urlaubsbibliothek“ auf der Insel. Sollte die aus Rostock stammende Cafébetreiberin Tina Tamamounas diese Zeilen eines Tages lesen, verspreche ich hiermit, dass das Buch „Seebachs schwarze Katzen“ per Post den Weg zurück in die Bibliothek des Cafés finden wird. Und ich werde zwei Bücher von Schweizer Autoren als Wiedergutmachungs- Geschenk beilegen. Denn von Schweizer Autoren habe ich bloss Mix Weiss’ Roman „Kupferblues“ in der Bibliothek entdeckt. Einzig etwas beschäftigt mich: Ob die Inselpost wirklich auch so zuverlässig ist, dass die drei Bücher den Weg bis zu Tinas „Kleinen deutschsprachigen Urlaubsbibliothek“ in Polis finden werden.
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Es hilft nur eins, um sicher zu sein: Das Buch persönlich zurück bringen. Nicht jeder hat seine Leihbibliothek auf Zypern.