A bientôt

MittagessenHerausforderungen annehmen. Besonders wenn man älter wird. Der Berater von der „Stiftung für das Alter“ hatte mich auf meine „Kapazitäten und Ressourcen“ angesprochen. Und er wiederholte: „Sie sollten Herausforderungen annehmen. Besonders jetzt, wo Sie älter werden.“ Ich könnte mich doch jede Woche für einen Tag als Fahrer eines Behindertentaxis anstellen lassen. Freiwillig natürlich. Oder im nahen Schulhaus jeden Dienstag ausländischen Kindern bei ihren Aufgaben helfen. Ob ich nicht im Altersheim Betagten vorlesen möchte? Ich sei doch literarisch interessiert. Auch als Wanderführer bei nicht zu schwierigen Wanderungen könnte er sich mich gut vorstellen. Ich solle die Gefahr nicht unterschätzen, die uns Senioren drohe: Der Rückzug in die Stille sei besonders bei alleinstehenden Älteren ein nicht zu unterschätzendes Risiko. Ich hatte mir seine Vorschläge etwas gelangweilt angehört und nicht einmal die vorgeschlagene Arbeit am Buffet des Museums für Gestaltung vermochte mich aus der Reserve zu locken. „Sie mögen doch Museen. Und Design interesiert Sie. Ihre Fremdsprachenkenntnisse könnten Sie dort bestens einsetzen“. Das Wort Fremdsprachenkenntnisse war es, das mich weiterbrachte. Auf der Strasse fiel es mir wieder ein. Max hatte mir nach einem Besuch in Paris davon erzählt, dass in der französischen Metropole ambulante Restaurants Mittagmenüs anbieten. Meine „soziale Ader“, die der Berater mehrmals erwähnt hatte und meine Lust, endlich wieder meine brachliegenden Französischkenntnisse aufzufrischen, setzten Energien frei. Vor zwei Wochen war es so weit: Nach einem zweitägigen Praktikum als Begleiter im vierzehnten Arrondissement unter der Führung von Emile Durand beginne ich am kommenden Montag meinen Einsatz bei „Vélissime – Le Savoir-frais“. Vormittags um 11 Uhr hole ich dann an fünf Tagen in der Wohe mein Transportfahrrad samt Anhänger bei der Küche von Vélissime in einem Hof an der Rue Louis David ab, ziehe mich vor dem Wegfahren noch um, um dann an der Rue Jean Goujon vor einem modernen Bürohaus meinen Standplatz einzunehmen. Es gibt Umsatzbeteiligung! Und das schwarze Fahrrad ist ein E-Bike! Jeden Tag werde ich während drei Wochen den Angestellten und Passanten ein kleines Menü mit kühlen Getränken anbieten. Und wenn der Umsatz stimmt, kann ich bis Ende Oktober jeden Monat drei Wochen lang gegen Entgelt und inmitten von Franzosen arbeiten. Wie ich mich darauf freue. Am kommenden Montag, so steht es auf meinem kleinen Menüplan gibt es als Entrée ein Oeuf poché sur coulis de tomate und als Hauptgericht Crumble de cabillaud au lait de coco, courgettes au curry et écrasé de pomme de terre. Unglaubich was der Anhänger alles fasst, unerhört die Kreativität der französischen Küche: Wem der Hauptgang am Montag nicht passt, dem bietet Vélissime als Alternativen eine Salade de petit épautre, feuille de chêne, bresaola et tomate an oder Caponata d’aubergines au poulet, olives vertes et riz. Ich gebe es zu: Mein Französisch ist holprig, ich muss im Dictionnaire noch nachschauen, was ich da genau anbiete. Aber ich freue mich auf meine Herausforderung als Senior: Während andere Alte unmögliche Fernstreckenwanderungen unternehmen, um ihren Alltag sinnvoll zu füllen, mache ich etwas wirklich Sinnvolles und frische mein Französisch auf. Kommt mich doch besuchen: 5. Rue Jean Goujon. Bis am 4. Juli jeweils montags bis freitags. A bientôt!

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