„Mit Maschine?“ fragt er und schiebt mir den weissen Papierkragen mit seinen Fingern kraftvoll unter den Hemdkragen. „Nein, mit Schere“. Irgendwann habe ich damit begonnen, beim Herrenfriseursalon ’Confort’ nur noch Kurzsätze zu sprechen. Unsere Blicke treffen sich im grossen Spiegel während sich der elektrisch verstellbare Friseurstuhl unter einem leisen Summen langsam nach oben bewegt. Der dunkelblaue Frisierumhang wirkt wie eine Pferdedecke, ich fühle mich eingeschnürt und erkenne noch einzelne fremde Haare auf dem Umhang. Ich weiss, lange wird es nicht dauern, länger als 12 Minuten muss sich ein Coiffeur nie um meinen Haarkranz kümmern. „Mit nass?“, fragt er und ich sage nur: „Nein trocken“. Damit hört unser Gespräch für eine Weile auf. Ökmen Yildirim, so heisst mein Frisör, so steht es auf einer Visitenkarte, die auf dem Frisiertisch neben mehreren Haarwasserflaschen steht, Ökmen Yildirim spricht kein Deutsch. Und ich kann kein Türkisch. Mit einem grossen weissen Kamm und mit einer Haarschneideschere, die er unglaublich schnell bewegt, fährt er über meinen Kopf. Ich habe es aufgegeben, Fragen zu stellen. Um ja keinen Fehler zu machen, habe ich es auch unterlassen zu fragen, ob Herr Yildirim vielleicht ein Kurde sei oder aus Anatolien stamme. Ich könnte erzählen, dass ich in Istanbul war und die Stadt am Bosporus sehr schön finde. Aber vielleicht stammt mein Frisör aus Adana oder Erzurum und war noch nie in Istanbul. „Wie lange leben Sie schon hier?“, hatte ich ihn bei meinem ersten Besuch gefragt. „Ich Türkei“, gab er zur Antwort. „Sind Sie zu dritt hier?“, lautete meine dritte und letzte Frage. Er schaute mich an. „Nein Kaymaz“. Ich gab es auf. Ich gehe auch nicht zum Frisör, um mich zu unterhalten. Hauptsache, ich sehe wieder gepflegt aus, wenn ich den Ort verlasse, sage ich mir. „Augenbrauen?“ ist jeweils sein vorletztes Wort. Ja, er soll wieder meine Augenbrauen schneiden. Mit einem langen schwarzen Frisierkamm fährt er über meine Augenbrauen und kürzt sie, während ich aus Angst vor einer Fehlmanipulation beide Augen fest schliesse. Jetzt nimmt er noch das Rasiermesser, wechselt die Klinge aus und befeuchtet meinen Nacken und meine Schläfen mit einem feuchtwarmen Wattebausch, um mit einem leichten Schaben meine Nackenhaare zu entfernen. „Okè?“ sagt er zum Schluss und ich nicke kurz und murmle noch „Perfekt!“, wenn ich meinen Kopf in seinem grossen Handspiegel von hinten anschaue. Ich wüsste gern etwas mehr über meinen Frisör. Aber weder er noch seine beiden Kollegen können mit mir sprechen. Mir war das zu Beginn ganz lieb. Wie anstrengend waren die Besuche beim vorherigen Frisör. Und wie frustrierend wohl für ihn: Ich verfolge keine Fussballspiele, ich kenne zwar die Namen Federer und Nadal, mehr weiss ich nicht über Tennis. Im Winter tauge ich nicht als Gesprächspartner im Bereich Skisport. Und seine Monologe über die vielen Ausländer in der Schweiz und darüber, dass neuerdings sogar die Durchsagen in der Strassenbahn eindeutig von Deutschen gesprochen werden, wollte ich mir nicht mehr anhören. Wie erleichtert ich war, als der neue Herrensalon ‚Confort’ in der Nachbarschaft eröffnet wurde. Drei Coiffeure, alle drei Schnauzträger, alle drei aus der Türkei. Perfekte Herrenfrisöre. Nicht dass es etwa still wäre im Herrensalon. Ich kann bloss den Gesprächen mit den türkischen (oder sind es doch Kurden?) Kunden nicht folgen.
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Ich bin eben das erste mal auf die Seite gekommen. Gefaellt mir ziemlich gut.