Warmes Badewasser

Vater hatte Vorrang. Vater durfte als erster ins Bad. Jeden Freitagnachmittag war Badezeit. Mutter liess das Badewasser einlaufen. Einen Warmwasserhahn gab es bei uns nicht. War die Wanne gefüllt, holte Mutter aus dem elterlichen Kleiderschrank einen Metallring von etwa 40 cm Durchmesser, der an einem Halter angemacht war. Das Gerät sah aus wie ein grosser Tauchsieder. „Kinder, ihr müsst jetzt raus“, sagte sie, als sie den Tauchsieder ins Wasser stellte und das Elektrokabel einsteckte. Meine Schwester und ich durften die Schwelle zum Badzimmer nicht übertreten. „Das ist lebensgefährlich“, warnte Mutter. Sie kam nach zwanzig Minuten wieder ins Badezimmer, zog das Kabel vom Stecker raus und prüfte mit der Hand die Wärme des Wassers. Dann erst riefen wir Vater, der vom Schlafzimmer her im Morgenrock kam, hinter sich die Badezimmertür schloss und in die Badewanne stieg. Ich habe Vater nie in der Badewanne liegen gesehen, ich habe Vater auch nie nackt gesehen. Vater stieg nach einer halben Stunde aus der Wanne heraus, jetzt steckte Mutter den grossen Tauchsieder wieder ins Wasser, um etwas später ihrerseits in die Badewanne zu steigen. Auch Mutter schloss die Tür beim Baden ab. War Mutter aus dem Bad gestiegen, wiederholte sich die Prozedur mit dem Tauchsieder, erst dann durften wir zwei gemeinsam ins Wasser, in dem Vater und Mutter schon gebadet haben. Ob meine Eltern manchmal auch einen Urinstrahl im wohlig warmen Bad nicht haben zurückhalten können?

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

2 Antworten zu Warmes Badewasser

  1. Alois Verruco sagt:

    Selten werden in diesem Blog die Bilder direkt kommentiert. Ausser dem Hinweis zu den roten Schuhen fällt mir auch kein weiteres Beispiel ein. Da ich sehr Gefallen fand an dem Bild mit dem Figürchen in der Schale hockend, leider aber im Text keinen einzigen Hinweis über die Bestimmung dieses Objekts finde, bin ich auf Spekulationen angewiesen. Es fängt an mit dem Titel des Bildes. “Gefäss mit badender Figur” oder “Türke im Bad”, so könnte man es nennen. Die Figur scheint ausserdem dazusitzen, als trüge sie eine zu knappe Badehose, wahrscheinlicher aber ist, dass sie gar keine trägt. Ich stelle mir vor, das Gefäss sei in der Grösse von ungefähr 7,5 Centimetern Durchmesser. Das Figürchen also etwa 9 Centimeter hoch. Ich kann mich auch täuschen, es kann eine Miniatur von viel kleinerer Statur sein. Marmor, Kunstmarmor, Keramik? Damit später die Grössenverhältnisse nachvollziehbar sind, legen wir Geologen zum Vergleich jeweils einen Bleistift oder ein Feldbuch zum Objekt. Um zu wissen, ob es sich um eine Fältelung oder eine Falte im Meterbereich handelt. In diesem Falle, ob die Falte im Speck ein paar Millimeter oder ein paar Centimeter gross ist. Speckstein? Ob der Autor uns etwas über die Herkunft dieses Objektes verrät? Aus welchem Material ist die Schale, die Figur? Trägt man sie mit sich herum? Hat es manchmal auch Wasser darin oder sitzt der arme Tropf beständig auf dem Trockenen? Ist es überhaupt ein Badender oder nehme ich es nur an, weil im Text die Rede ist von einer Badewanne? Handelt es sich um einen Talisman, ein Medaillon, ein Zeremoniengefäss oder ist es einfach nur ein Ziergegenstand? Ist es eine Bronzeschale oder ist das Ding aus Messing? Ist es gar eine Teeschale mit Überraschung? Fragen über Fragen … Ich bitte zum Schluss, meiner kunstgeschichtlichen und kulturellen Unbelehrtheit mit Nachsehen zu begegnen, ich kenne das Phänomen der Wannenbildung lediglich als fluvioglaziale Erscheinung. Ich wäre ihnen jedoch sehr dankbar, wenn Sie mir Aufschluss über die Herkunft dieses Objektes gäben, welches sie möglicherweise von einer Reise mitgebracht haben, denn seit meiner Emeritierung beginne ich mich mehr und mehr für alles Lebende auf diesem Planeten zu interessieren. Univ. Prof. Dr. emerit. Alois Verruco, Val Bianca.

  2. sehr werter alois verruco, wie sehr mich ihre reaktion gefreut hat! wie präis sie bei der analyse des bildinhalts sind. und deoch muss ich sie enttäuschen. ihre vermutungen in ehre! derzeit und noch bis zum 28. august findet im genfer musée ariana, dem einzigen schweizer museum für keramik und glaskunst eine ausstellung statt mit dem titel „mille et un bois“. sie sollten sie sehen! ohnehin ist bereits das museumsgebäude eine pracht. einer zahl von keramikern aus aller welt wurde die möglichkeit geboten, zehn einfache trinkgefässe zu erstellen und diese einzureichen. an die genauen vorgaben kann ich mich leider nicht mehr erinnern. wunderbare gefässe sind es, die alle in holzkisten gezeigt werden. und alle trinkgefässe mussten das gleiche mass aufweisen. nicht aus allen liesse sich tee trinken. fahren sie hin, schauen sie sich das an, das museum ist sehenswert! es grüsst sie bestens michael guggenheimer, texterix

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert