Die rötlich-braunen Schuhe und die grössere der beiden Taschen lässt sie jeweils vor der Wohnungstür stehen. Bevor sie den Schlüsselbund aus der Handtasche hervorholt und den passenden Wohnungsschlüssel sucht, läutet sie, die Herrschaften könnten nämlich zu Hause sein. Das kommt zwar selten vor, aber es wäre ihr unangenehm, mit der Tür ins Haus zu fallen. Noch bevor sie die Wohnung betritt, zieht sie die rutschfesten Socken an. Bis zu vier Stunden bleibt sie jeweils. Zunächst kommen jene Zimmer dran, die sie Büros nennt. Dann das Schlafzimmer, das Wohnzimmer, das Gästezimmer und der begehbare Kleiderschrank. Staubsaugen stets zuerst. Später nimmt sie die Böden feucht auf, sie putzt das Badezimmer und den Duschraum, die Toiletten kommen am Schluss dran, wenn die Küche aufgeräumt und geputzt ist. Den Balkon wischt sie mit dem Besen, manchmal fährt sie sogar mit dem Staubsauger über den Balkonboden. Und wenn die Herrschaften nicht da sind, dann telefoniert sie ausgiebig mit ihrer italienischen Schwägerin, mit ihrem Bruder oder mit einer ihrer erwachsenen Töchter. Sie hat ihr Handy dabei und sie kann die Schulter so nah ans Kinn rücken, dass das Handy ihr auch während des Putzens oder Bügelns nicht auf den Boden fällt. Am besten gehen sowohl das Putzen als auch das Telefonieren, wenn die Herrschaften nicht zu Hause sind. Obschon sie es ja auch mag, wenn sie sich zwischendurch mit ihr oder mit ihm unterhalten kann. Dann erzählt sie von der Arbeit ihres Mannes, der Lastwagenfahrer ist, über ihre beiden Töchter, über die Preise in Italien, ihrem Heimatland, wo die Lebenshaltungskosten in den letzten Jahren gestiegen seien. „La vita è troppo cara“, sagt Maddalena und klagt dann über die Preise in Italien. Zehn Wohnungen putzt sie in der Woche, manchmal arbeitet sie auch noch am Samstag oder Sonntag. Sie kennt jeden Winkel in den Wohnungen, die sie putzt, manche Ecken sogar besser als ihre Herrschaften. Die Schlüssel aller Wohnungen, die sie putzt, hängen an einem grossen Schlüsselbund. Sie kennt jeden Schlüssel, keiner ist angeschrieben. Das ist sicherer so. Manchmal schaut sie sich die Rechnungen an, die auf einem der Schreibtische liegen. Sie kennt sich in den Apothekschränken der fremden Badezimmer bestens aus, hat auch schon mehrmals ein Medikament mitlaufen lassen, das fällt nicht auf. Sie weiss, was die Herrschaften gerne essen, weil sie die Kühlschränke jedes Jahr zweimal putzt. Zwar sind die meisten Rechnungen ebenso wie die Bankbelege verstaut, aber mit den Jahren hat sich ihr Blick für die Bewohner der Wohnungen, die sie putzt, geschärft. Und weil sie gerne ihrem Mann und ihren beiden Töchtern von den Wohnungen erzählt, die sie putzt, macht sie immer wieder mit ihrem Handy Aufnahmen von den Wohnungen, in denen sie arbeitet. Sie hat Wohnzimmer und Schlafzimmer, Balkone und Bilder an den Wänden schon fotografiert. Wüssten ihre Auftraggeber, dass sie das tut, würden sie einige auf der Stelle entlassen. Aber eben, keiner weiss es. Wenn sie Hemden, Blusen und Hosen gebügelt hat, räumt sie die gebügelten Kleider im begehbaren Kleiderschrank ein und verlässt die Wohnung. Sie weiss ganz genau, welche Kleider hier neu sind, sie kennt ihre Herrschaften manchmal besser als die sich gegenseitig kennen, weil sie auch schon Hotelquittungen in seinem Sacco entdeckt hat. Aber das ist ihr Geheimnis, von dem sie nur ihrem Mann und ihren Töchtern erzählt.
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Je me suis souvent demandé ce que ma femme de ménage faisait dans mon appartement. Mais le malaise que
je ressens lorsque je rentre trop tôt et qu’elle est encore là me fait penser qu’en vérité, je préfère l’ignorer! Ce
n’est pas un hasard si la plupart des gens se mettent à ranger leurs affaires le jour où la femme de ménage vient chez
eux. J’ai vu un film à la télévision récemment, un de ces films français sans grand intérêt, mais qui tournait autour
de cette idée: la femme de ménage commençait à se maquiller avec les crèmes de sa patrone, elle lisait les mails et les
lettres, lui interdisait certaines choses et la menaçait même de ne plus revenir si elle ne changeait pas d’attitude!
Les femmes de ménage ont effectivement beaucoup d’influence sur leurs soi-disant patrons, sans doute parce qu’elles
sont en contact avec leur intimité la plus cachée, celle des ordures! (Tiara)
Für so freche rote Schuhe würde ich auch putzen gehen 😉 emamil
Maria kam aus Portugal und wir unterhielten uns auf Französisch. Sie putze und bügelte in meinem Haushalt (am liebsten bügelte sie) auf Empfehlung eines Freundes. Ihre Arbeit wurde geschätzt und weiterempfohlen, so kannte Maria im Laufe der Zeit den halben Bekanntenkreis eines jeden von uns. Alle vierzehn Tage, immer am selben Vormittag, klappte sie das Bügelbrett auf. Dennoch vergass ich hin und wieder, mich auf ihr Erscheinen vorzubereiten. Als an einem solchen Vormittag der genannte Freund aus der Schlafzimmertür trat, um sich anzukleiden, war das Erstaunen gross, doch Maria liess sich nicht das Geringste anmerken. „Bonjour Monsieur B.“, sagte sie, er nahm die Kleider, die Maria über einen Sessel gelegt hatte, antwortete mit einer höflichen Geste und machte sich auf ins Badezimmer. Ich setzte Kaffee auf. Noch Jahre danach, als B. schon seit geraumer Zeit nicht mehr in der Stadt lebte, erkundigte sich Maria hin und wieder beiläufig: „Il va bien, Monsieur B.?“ Stets antwortete ich etwas in der Art von „mais oui, il va très bien, donc, vous lui connaissez, il travaille beaucoup, …“. In Wirklichkeit hatte ich nichts zu berichten aus dem Leben von Monsieur B., wir hatten uns aus den Augen verloren, doch ich wollte die liebenswürdige Frau aus Portugal weiterhin an dem Geheimnis teilhaben lassen, von welchem sie als einzige wusste. Ich hätte irgend etwas erzählen können, ich war mir inzwischen sicher, man konnte sich auf Marias Verschwiegenheit verlassen, und ich sah mich auf einmal dazu verleitet, mich mit erfundenen Begebenheiten einem wohldosierten Selbstbetrug hinzugeben, der mir die Abwesenheit von Monsieur B. etwas erträglicher machen würde. lisa b. petit beurre