Spiegelschrank

„Ich muss mal verschwinden“, sage ich und schau mich fragend um. „Links, die letzte Tür im Gang“, kann es dann heissen. Die anderen bleiben am Esstisch sitzen. Ich gehe ins Badezimmer. Nein, ich bin zu faul um mich hinzusetzen, ich pinkle im Stehen, sie werden es eh nicht merken. Und ich hasse ohnehin diese Aufkleber, auf denen neben dem entsprechenden Bild die Aufforderung steht „Auch ich sitze“. Kaum bin ich fertig, lasse ich mir Zeit. Die anderen sind ohnehin im Gespräch vertieft. Ich könnte ja länger zu tun haben. Ich öffne den Spiegelschrank und schaue mich um. Rheumamittel, Kopfwehtabletten, ein Fläschchen mit einem Beruhigungsmittel, das das Einschlafen erleichtern soll. Wattekringel, Halspastillen, Vitaminkapseln, eine alte Jodflasche, Augentropfen, Deodorantstifte, Rasierwasser. Ein Blick in eine fremde Hausapotheke gleicht einem Blick in ein Bücherregal sag ich mir. Das ist nicht verboten. Immer wieder warte ich auf einen besonderen Fund: Vaselinesalbe, Antibabypillen, Präservative, blaue Tabletten. Und immer diese Enttäuschung. Fremde Arzneikästen sind ebenso langweilig wie mein eigener Spiegelschrank über dem Lavabo.

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2 Antworten zu Spiegelschrank

  1. tia retal sagt:

    you nosy nose! I will never let you go to my bathroom again!

  2. airelav sagt:

    Sollen wir die versteckte Aussage, bei Ihnen gebe es keine Vaseline, keine Antibabypillen, keine blauen Tabletten oder Präservative widerspruchslos hinnehmen? Das fällt schwer.

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