Economy-Class-Syndrom

Du sollst während des Flugs die Beine keinesfalls übereinanderschlagen. Das war die erste Reaktion als ich Paul erzählte, dass ich nach Pusan fliegen werde. Richtig müsste ich sagen, es sei die zweite Reaktion gewesen. Denn die erste lautete: Pusan? Wo liegt denn Pusan. 18 Flugstunden und 25 Minuten von Zürich entfernt, gab ich zur Antwort. Darauf Paul: Du sollst während des Flugs keinesfalls die Beine übereinanderschlagen. Die sitzende Position mit abgewinkelten Knien, ferner eine zumeist langsam während des Fluges entstehende Austrocknung seien für Menschen im Alter von über 50 Jahren nicht ungefährlich! Denk dran: Man kann bei Langstreckenflügen schnell eine Thrombose einfangen! Paul fliegt wohl stets First Class, dachte ich: Denn wo in der Economy sollte ich Platz haben, um meine Beine übereinanderzuschlagen? Es sollte mein erster Langstreckenflug sein. Und jeder, dem ich davon erzählte, warnte mich vor den möglichen Folgen eines solchen Fluges. Du musst unbedingt Business Class buchen, sagte Herbert, der schon bis nach Australien geflogen ist. Guter Rat ist bekanntlich teuer, dachte ich, ein „Upgrading“, wie Herbert es nannte, kam nicht in Frage. Alle die Vielflieger deckten mich mit Tipps ein. Arlette, die bis vor drei Jahren als Flugbegleiterin bei einer fernöstlichen Airline tätig war, warnte vor einem Flug mit den folgenden Flugzeugtypen: Boeing 737, 747, 767 und Airbusse der Serien A 320 und A 340. Und keinesfalls sollte ich mit drei Airlines fliegen, die sie mir nannte. Gut sei, dass ich weder Raucher sei noch schwanger sei, meinte Arlette. Denn Raucher und Schwangere seien auf Langstreckenflügen besonders thrombosengefährdet. Sie schaute mich an und sagte: Vom Körpergewicht her bist du aber nicht ganz risikofrei, zehn Kilogramm weniger könnten gewiss nicht schaden. Schwanger war ich gewiss nicht. Und ich bin Nichtraucher. Es war zu spät, ich konnte unmöglich innerhalb einer Woche zehn Kilo abnehmen. Medizinische Stützstrümpfe sollte ich tragen, meinte Regina, die schon mehrmals nach Japan geflogen war. Stützstrümpfe wie man sie nach einer Operation trägt. Keinesfalls medizinische Stützstrümpfe meinte Arnold: Du hast doch keine Venenerkrankung. Du besorgst dir lieber rechtzeitig ganz normale Reisekniestrümpfe für Venengesunde, die sind in deinem Fall ausreichend, da Beinvenenthrombosen meist im Unterschenkel entstehen. Und noch etwas: Du musst während des Flugs viel trinken. Sehr viel trinken, allerdings kein Alkohol, Tee oder Kaffee, da diese Getränke entwässernde Wirkung haben. Und wähle dir beim Buchen bereits einen Sitz am Gang, der dir jederzeit Gelegenheit zur Bewegung bietet. Ich rief bei der Airline an, bat um einen Gangplatz, worauf die freundliche Dame am Telefon meinte, ich sei nicht der erste, der auf diesem Langstreckenflug einen Gangplatz wünschte. Leider zu spät. Du musst dich unbedingt um reichlich Bewegung während des Fluges bemühen, solltest immer wieder aufstehen und Bewegungs- und Lockerungsübungen machen. Das war Arlette, die mich nochmals anrief. Ich sah mich schon, wie ich vom Fensterplatz aus drei Reisende in meiner Sitzreihe stören würde: Jede Stunde zehn Minuten Lockerungsübungen im Gangway, hatte Arlette gefordert. Ich schaute im Internet nach und war nahe dran, die Nummer der Airline nochmals zu wählen, als ich folgenden Eintrag las: „Man nimmt an, dass etwa jeder fünfte plötzliche Todesfall an Bord eines Flugzeuges durch eine Pulmonalembolie ausgelöst wird. Dies ist eine Erkrankung, bei der sich ein Blutgerinnsel, das an einer anderen Stelle im Organismus entstanden ist, losreisst und dann auf seinem Weg durch das Herz in die Lunge gelangt und dort zur Verstopfung eines Gefäßes führt. Es hat die Häufigkeit der sogenannten Reisethrombose in den letzten Jahren deutlich zugenommen, so dass man sie heute bereits als eigenes Syndrom kennt: Das sogenannte „Economy-Class-Syndrom“. Ich rief meinen Freund René an, René ist zwar Veterinärmediziner, aber immerhin ein weitgereister Mann. Du solltest dir für den Flug niedermolekulares Heparin zur Selbstinjektion besorgen, ein Mittel, das die Blutgerinnung hemmt, sagte mein Freund. Meine Bedenken, wonach ich mir nicht selbst eine Spritze verabreichen könne, galten nicht: René wollte vorbeikommen und mir zeigen, wie das vor sich geht. Am nächsten Tag schon kam Renés Rezept in einem Umschlag an. Ein Besuch in der Apotheke und ein Einkauf im Sanitätswarengeschäft erleichterten mein Portemonnaie. Aspirintabletten, Clexane 40mg, ein niedermolekulares Heparin zur subkutanen intravenösen Anwendung und Reisekniestrümpfe: Ich war jetzt gut ausgerüstet für den Langstreckenflug. Dumm nur, dass ich in der Hektik vor der Fahrt zum Flughafen die kleine Bauchtasche mit all den wichtigen Flugbegleitern zu Hause habe liegen lassen, was ich aber erst nach dem Check-in bemerkte.

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2 Antworten zu Economy-Class-Syndrom

  1. anne-lies sagt:

    hoewel je je buiktasje vergeten had; de oefeningen heb je hopelijk in het middenpad gedaan!
    had ik graag gezien. een waar genoegen je blogs te lezen. alf

  2. hegger sagt:

    Der Blog-Text über den weiten Flug ist herrlich! Ich habe es genossen,
    all die gut gemeinten Tipps zu lesen – besonders jene vom Tierarzt, for
    obvious reasons – und der Schluss ist eine schöne Überraschung. HE

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