Wir waren in Lovran, dem alten Seebad an der Adria. Ein Artikel in der Tourismusbeilage der Neuen Zürcher Zeitung hatte uns zu dieser Reise inspiriert. Wie schön Lovran doch ist: Alte Villen aus der Zeit von Maria Theresia, österreichische Architektur der ersten Jahre des 20. Jahrhunderts am Meer, verfallene Pracht in Kroatien. Hier waren einst die Österreicher zu Hause, dann wurde Lovran italienischer Besitz. Und nach dem Zweiten Weltkrieg jugoslawisch. Unsere Pension kostete fast nichts, das Essen war gut und für Schweizer Verhältnisse spottbillig, das Meerwasser so klar und sauber und die Bevölkerung katholisch. In dieser Woche besuchte Papst Benedikt XVI Kroatien. Er wollte am Wochenende in der Kathedrale von Rijeka alle Neuvermählten treffen und segnen, weshalb sich jetzt das ganze Land das Jawort zu geben schien. Wir sassen vor der kleinen Georgskirche in einem der Cafés am kleinen Marktplatz und beschlossen, uns die Hochzeitsgesellschaften anzuschauen. Von morgens um zehn bis nachmittags um fünf wurde jede Stunde ein Paar getraut. Und immer nachdem die Kirchenorgel Mendelsohns Hochzeitsmarsch gespielt hatte, stellten sich Brautpaar und Trauzeugen, Eltern und Anverwandte auf die Kirchentreppe für das offizielle Hochzeitsbild. Esther und ich sind dabei. Wir sind in Lovran verewigt. Denn nach jeder Familienfotografie wurden die übrigen Gäste, Freunde und Berufskollegen, paarweise auf der Kirchentreppe fotografiert. Im Album eines jeden Hochzeitspaars sind wir heute zu sehen. Ich im hellbraunen Sommeranzug, Esther in ihrem blauen Sommerkleid. Ein Sticker mit dem englischen Wort „Congratulations!“ an meiner Anzugsjacke und an Esthers Kleid ist unser fotografischer Glückwünsch. Immer sitzt oder steht Esther zu meiner Rechten. Es wird nach unserer Abreise für Unruhe gesorgt haben. Wer ist denn dieses Paar, das immer wieder auf der Kirchentreppe zu sehen ist und den Fotografen freundlich zulächelt, werden sich die Passanten bei ‚Photo Illyria’ an der Hauptgasse von Lovran gefragt haben, als alle diese Bilder im grossen Schaufenster des Fotoateliers zu sehen waren. Wir sind bei acht Hochzeiten dabei gewesen. Wir sind das befreundete Paar aller dieser Brautpaare.
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Die nächste Stufe wäre das sogenannte Wedding Surfing. Von den USA her findet es langsam doch stetig auch hier eine gewisse Anhängerschaft. Wenngleich hierfür eine Portion Nonchalance absolutes Muss ist. Nach dem man sich als Freundespaar fotografieren lässt, mischt man sich unauffällig unter die Aperogäste. Am einfachsten gelingt dieser Einstieg, wenn man sich im Bereich der sogenannten „alten“ Freunde einschleust. Denn wer erinnert sich denn schon an „Frieda“ aus der Primarklasse. Die war doch damals zurückhaltend und blass, oder war das gar nicht Frieda? Gutes Zuhören offeriert hier einem aufmerksamen Wedding Surfer / einer aufmerksamen Wedding Surferin eine ungeahnte Fülle an Informationen. Diese wiederum sind der Grundstein für den nächsten Schritt. Sich wagemutig unter die geladenen Gäste ans Hochzeitfest im nahe gelegenen Hotel zu mischen. Extrovertiertheit kombiniert mit Unauffälligkeit garantieren einem einen amüsanten Abend mit erlesenen Speisen. Mit der Zeit findet man auch heraus, wann die Verwandtschaft ihre Produktionen zum Besten gibt. Es lohnt sich, mindestens eine Powerpoint Präsentation über sich ergehen zu lassen. Will man nicht auf den Hauptgang verzichten. Alle weiteren Reden, Spiele, Sketches kann man sich schenken. Aus Erfahrung weiss man, es wird nicht besser. Und macht man sich dann aus dem Staub, fällt dies auch niemandem auf.
Ganz geübte Wedding Surfer / Wedding Surferinnen warten auch mal den Brauttanz ab. Und fordern den Bräutigam bei Damenwahl keck zum Tango auf. (oder die Braut). Er wird zwar staunen (die Braut natürlich auch), weil er kein Bild von Frieda (und sie keines von Hugo) aus seiner Erinnerung abrufen kann, aber wen wunderts. Bei dem vielen Glück, Alkohol und Drumherum?
Ganz verwegene Wedding Surfer und Surferinnen klauen in solchen Augenblicken auch kleine Trophäen (z.B. das Taschentuch des Bräutigams, eine Rose aus dem Brautstrauss, ein Geschenk vom Gabentisch) und stellen ein Bild davon ins Netz. Das ist mir zu protzig. Denn die wahre Könnerin / der wahre Könner geniesst im Stillen…