Die Menschenschlange vor den Schaltern der Passkontrolle in der Ankunftshalle scheint unendlich lang. Nur langsam bewegt man sich durch das Absperrsystem aus Bändern, das einem Irrgarten nachgebildet zu sein scheint. Immer wieder werden Reisende von den Grenzbeamten zurückgeschickt, weil sie falsche Formulare ausgefüllt haben, weisse statt grüne. Die Uniformierten sitzen hinter hohen Schaltern, sie ziehen jeden einzelnen Pass durch eine Lesemaschine, die die Daten einscannt. Ein Blick in den Bildschirm, dann kommen die Fragen: Wie lange man zu bleiben gedenke, weshalb die Reise, ob geschäftlich oder touristisch, wo man übernachte. Und dann die Aufforderung, zuerst den rechten Zeigefinger und dann den linken auf eine Platte zu legen und zu drücken. Sind die Fingerabdrücke genommen, muss die Brille abgezogen werden, der Beamte zieht eine faustgrosse Metallkugel, die an der Tischplatte an einem Arm aus Metall festgemacht ist, zu sich, jetzt muss der Blick auf die Kugel gerichtet werden, es ist eine Kamera: jeder, der in diesem Land einreist, wird fotografisch festgehalten. Man verlässt den Kontrollbereich nach dieser unangenehmen Prozedur, begibt sich zu den mit Koffern beladenen Förderbändern, nimmt das Gepäck vom schwarzen Band und verlässt das Empfangsgebäude. Draussen vor der Ankunftshalle wird man von aufdringlichen Männern angesprochen, die einem einen Limousinenservice anpreisen. Weit und breit sind keine Autobusse zu sehen. Man begibt sich zum Taxistand, wo in schneller Folge ein gelber Wagen nach dem anderen anhält, ein uniformierter „Taxi-Manager“ will wissen, in welchem Hotel man übernachte, welches Ziel man habe, er weist die Ankommenden einzelnen Wagen zu. Jeder, der hier ein Taxi besteigen will, erhält einen Schein, auf dem der offizielle Preis für die Fahrt ins Stadtzentrum sowie die Highway-Maut bereits vermerkt sind. Doch noch bevor man den Taxi besteigt, wartet eine weitere Hürde. Es sind die Marshalls der „Fashion Police“, die neben Taxis stehen und die genau darauf achten, dass man die Stadt ordentlich bekleidet betritt. Blue Jeans werden nicht durchgelassen. Ebenso wenig wie Turnschuhe. Fleckige Hemden oder Baseballmützen müssen verschwinden. Freundlich und sehr bestimmt sind die Damen und Herren der „Fashion Police“, denen man in den nächsten Tagen auch auf den Strassen der Innenstadt begegnen wird. Seitdem sie vor einem Jahr ihre Arbeit aufgenommen hätten, habe die Stadt an Eleganz und Raffinesse gewonnen, heisst es. Wer schlampig daherkommt, wird zurückgewiesen und in die grosse unterirdische Einkaufspassage der Ankunftshalle geschickt. Die „Fashion Police“ habe das Bild dieser Stadt verändert. Und das sei gut so, sagt der Mann vom District Council, der beim Taxistand die Marshalls der „Fashion Police“ bei der Ausübung ihrer Arbeit überwacht.
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Die Schwester einer entfernten Bekannten, kannte eine Frau, der ist folgendes passiert. Wie sie in jener Stadt, beschrieben im Blogtext mit dem Titel „Kleiderordnung“, bei der Zollabfertigung durchgewunken wurde, nahmen sie plötzlich zwei weibliche Sicherheitskräfte der „Fashion Police“ von links und rechts in die Zange. Sie hatte keine Wahl, diese Frau, die eine Schwester einer entfernten Bekannten kannte. Sie musste wohl oder übel mit. In die unterirdische Einkaufspassage der Ankunftshalle. Dort wurde sie freundlich, jedoch sehr bestimmt ins erste Geschäft bugsiert, wo sich eine Verkäuferin um sie bemühte. Diese legte ihr ungefragt ein paar Kleider hin. Wie diese der Frau, die eine Schwester einer entfernten Bekannten kannte, nicht passten, also zu eng waren, griff die Verkäuferin mit besorgtem Blick zum Telefonhörer. Gleich darauf erschienen zwei unauffällig gekleidete Beamtinnen, nämlich zwei Officer der „Secret Fashion Police“ (SFP) mit einem Koffer. Die Frau, von der ich eben erzählte, musste zurück in die Umkleidekabine. Dort wurde sie in Windeseile ausgemessen: Gewicht, Körperfett, Blutdruck, Cholesterin… Dann musste sie eine Weile halbnackt auf einem Hocker warten. Derweil hörte sie, wie die Beamtinnen aufgeregt miteinander diskutierten. Nach einer Viertelstunde kam die Verkäuferin mit einer neuen Serie Kleider, die sie der Frau auf dem Hocker reichte. Ihr wurde mit knappen Befehlen geheissen, die Kleidungsstücke zu probieren. Und wirklich, diese sassen. Zum Glück. Waren zwar nicht der neuste Schrei, doch sie passten perfekt. Jedenfalls waren die SFP und die Fashion Police zufrieden und liessen die Frau gehen. Nicht bevor ihr die Unkosten für diese Aktion auf der Kreditkarte belastet wurden. Umgerechnet knappe 1000 $.
Von meiner Bekannten, deren Schwester ebendiese Frau kennt, weiss ich, dass die besagte Frau Kleidergrösse 46 trug. Seither wage ich mich nicht mehr in diese Stadt. Im vergangenen Winter blieb ein bisschen mehr Kummerspeck auf meinen Hüften zurück als üblich. Doch trotz guter Vorsätze schaffe ich es nicht, mich wieder auf Grösse 46 runter zu hungern. Und ich mag mir nicht ausmalen, was mit besagter Frau geschehen wäre, hätte sie nicht in die geordeten Kleider der „Secret Fashion Police“ hinein gepasst…