Wenn er eine Mail schrieb oder einen Brief am Computer, setzte der Rechner automatisch und rascher als er’s wollte das Datum hin. Und dies immer nach der amerikanischen Schreibweise. Ihn irritierte das, wenn sich zuerst der Monat und dann erst der Tag im Schriftbild einstellten. Und immer diese Monatsabkürzungen: Jan, Feb, Apr., Jan., Sept., Okt. Nov., Dez. Er wusste nicht weshalb, aber die Monatsabkürzungen begannen ihn zu ärgern. Muslimische Freunde erzählten ihm, dass die Monatsnamen im islamischen Kalender ganz anders lauten: Muharram, Safar oder auch Scha’ban. Wie fremd und schön diese Namen klangen! Er wusste aber auch, dass die jüdischen Monate ganz andere Namen tragen: Nissan, Siwan, Tammus, Elul. Weshalb sollte er sich eigentlich an die herkömmlichen europäischen Monatsnamen halten? Er könnte doch in seiner Korrespondenz die europäischen Monatsnamen ersetzen. Eines Tages fiel sein Entschluss, worauf er sie alle abschafte und zwölf neue Monatsnamen erfand. Es sind seine persönlichen Monatsnamen, die in seinen Briefen und Mails jetzt vorkommen. Und mittlerweile hat niemand etwas dagegen. Esuedro steht fortan in einen Briefen für den Januar, Dodecaedro war früher der Februar, der Terchio ist neuerdings der dritte Monat, im Quadrato beginnt der Frühling, den Pentagono nennen manche Wonnemonat, er mag auch diese romantisch angehauchte Bezeichnung nicht. Ottaedro war früher der August, den grauen November hat er in Melancholia umbenannt, der letzte Monat des Jahres figuriert in seinen Briefen und Mails nur noch als Esagono. Seine Freunde und Bekannte mussten sich an die neuen Namen gewöhnen. Sie finden ihn zwar eigenwillig. Aber in gewisser Weise auch originell. Er will ihnen nicht verraten, wie er auf die neuen Namen gekommen ist. Sie suchen einen Zusammenhang mit Südamerika, aber weder der alte Brockhaus noch Google helfen da weiter. Seine Geschäftspartner, die zunächst Bedenken gegen die neumodische Eigenlösung äusserten, finden mittlerweile Gefallen an seiner Radikalität, manchmal bekommt er sogar schon Briefe, in denen die neuen Monatsnamen vorkommen. Ein Bekannter hat vor kurzem bei Facebook eine Gruppe gegründet, die seinem Beispiel folgen will, aber noch einen Schritt weiter geht: Die germanisch geprägten Tagesnamen will diese Gruppe durch offenere Bezeichnungen wie Ersttag, Zweittag, Dritttag, Vierttag, Fünfttag, Sechsttag und Siebenttag ersetzen. Die Mitglieder dieser Gruppe haben mittlerweile sogar eine Kalenderdruckerei ausfindig gemacht, die bereit wäre, in einer limitierten Auflage Jahreskalender zu drucken, in denen die bisherigen Wochentage und Monate durch neue Namen ersetzt werden.
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nur so eine frage:
wer nimmt sich die freiheit heraus neue wörter zu erfinden. die zu ihm oder zu ihr passen. und wer bleibt auf der strecke, weil er oder sie nicht mehr versteht, was welches wort nun bedeutet.
Giv puw othuqgoq ouqo qoaq vrtifko uvw ouq atinwov poqvfknufkov dogathquv!
Was soll denn das? Diese Reaktion ist vollends unverständlich? Welche Sprache ist denn das? Und überhaupt: Was soll das? Da will ein Zeitgenosse die Monate neue benamsen. Das stifttet nur Verwirrlichkeiten. Ich sage: Lasst den Monaten ihre Namen. Ob das nun abendländisch geprägt ist oder nicht. EB
Manchmal denke ich, du erfindest die Kommentare zu deinen Texten – was auch wieder eine Geschichte wäre.
Heute morgen viel gelesen, unter anderem: „Wesen und Aufgabe der Etymologie liegen (…) in der Beantwortung der alten und ersten Frage des seiner Sprache sich bewusst werdenden Menschen, nämlich: Warum hat dies oder jenes gerade diesen und jenen Namen?“ (C-P.Herbermann) . Von daher gesehen bist du noch sehr jung!