Die beliebteste Beschäftigung während der Ferienwoche ist eine sehr eigene Art von Gedächtnistraining, die das Reisebüro Ricordo anbietet. Eine Marktlücke ist es, die der findige Geschäftsführer entdeckt hat. Ausserhalb der Hauptsaison im Winter und kurz vor den Schulferien im Sommer bietet er ‚Entlastungsferien’ an. Entlastung soll es sein für Angehörige betagter vergesslicher Menschen. Und weil Ferien in Österreich um einiges preiswerter sind als in der Schweiz, finden die ‚Entlastungsferien’ im nahen Vorarlberg statt. Im Sommer im Kleinwalsertal, im Winter im Bregenzerwald. Bis zu 20 Senioren kommen da mit. Sie fahren mit dem Reisebus von Zürich nach Mittelberg oder nach Schoppernau. Sie übernachten in Einzel- und Zweierzimmern. Fünf jüngere Begleiterinnen kommen jeweils mit, die gemeinsam ein Wochenprogramm ausgearbeitet haben. Spaziergänge, Spielabende, die Besichtigung einer Käserei, einer Weberei, der Besuch einer Trachtenwerkstatt und einer Filzwerkstatt stehen ebenso auf dem Programm wie Ergotherapie in zwei Ateliers sowie kleine Hauskonzerte im Hotel mit jungen Musikern vom Konservatorium in Feldkirch. Zweimal dürfen die Senioren in der Hotelküche beim Kochen helfen. Weil sie aber alle sehr vergesslich sind, stehen ihnen dabei zwei Hotelköche und die Begleiterinnen zur Seite. Was die Senioren besonders aber mögen, ist das Gedächtnistraining in freier Natur: Jeder, der mitkommt, erhält ein an einer Holzlatte montiertes Schild mit seinem Vornamen. Sie alle stehen denn im Hotelgarten neben ihrem Schild, sie trainieren das Erkennen des eigenen Namens. Und wenn sie das eigene Schild erkannt haben, dann beginnt die Übung, auf die es ankommt. „Wo ist das Schild mit dem Namen von David?“, fragt eine der Begleiterinnen. Dann fängt die Suche an, die Teilnehmer gehen zum Namensschild von David. „Und wo ist das Schild von Rosmarie?“ Etwas später werden die Holzlatten in den Schnee oder in Wiesenboden gesteckt und jeder sollte zu seinem Namensschild gehen. Anschliessend muss jeweils eine Teilnehmerin oder ein Teilnehmer einen anderen Teilnehmer zu dessen Namensschild führen. Jeden Tag spielen sie dieses Spiel. Bis alle alle Namen wiedererkennen und zu jedem Schild auch den richtigen Teilnehmer bringen können. Und ist die Ferienwoche vorbei, bekommt jeder sein Namensschild. So gross ist der Ehrgeiz, das eigene Schild mitzunehmen, dass sie sich alle anstrengen, sich jeden Namen eines jeden Teilnehmers zu merken. Nicht immer gelingt das zwar. Reiseleiter Leuenberger vom Reisebüro Ricordo drückt dann jeweils ein Auge zu, damit seine Senioren am Ende der Woche auch alle ihren Namensschild mitnehmen können.
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