Wie hat der Mann das bloss geschafft? Dieter Roth, Plastiker, Schmuckgestalter, Maler, Musiker und Dichter soll alle Häuser von Rejkjavik fotografiert haben. Ich kann ihn verstehen. Die farbigen Häuser in der Reykjaviker Altstadt, Häuser mit Wellblechfassaden, hinter denen eine Holzwand steht, andere Bauten aus Holz, viele von ihnen in den wundersamsten Farben angemalt, manchmal so kitschig, manchmal nebeneinander stehend und in Farben, die nicht unbedingt zueinander passen: Diese kleinen Häuser, nie höher als zwei Stockwerke, sie strahlen alle etwas aus, das schwer zu fassen ist. Ich bin einen ganzen Tag lang eine Strasse nach der anderen entlang gegangen, ich habe in Reykjavik Häuser fotografiert und die Erfahrung gemacht, dass die malerischsten, die schönsten Häuser in den Hinterhöfen liegen. Je mehr dieser farbigen Häuser ich entdeckte, umso mehr wollte ich weitere finden und fotografieren. Wenige dieser Häuser nur sind renoviert, manche Häuser habe ich gesehen, die unbewohnt zu sein scheinen. Der Prenzlauer Berg fiel mir ein, als ich die kleinen gemütlichen Cafés und Restaurants in manchen dieser Häuser sah. Manchmal erinnerte ich mich auch an Appenzell, obschon dieser Ort nun wirklich nichts gemein hat mit Reykjavik. Oder doch? Reykjavik ist für eine Stadt klein, die Stadt ist übersichtlich. Aber anders als in der Hauptgasse von Appenzell stehen in Reykjavik viele dieser Häuser für sich alleine, verfügen viele Häuser über einen kleinen Garten. Alle diese Häuser soll der schweizerisch-deutsche Künstler fotografiert haben? In der 60er und in den 70er Jahren hat er immer wieder hier gelebt. Wegen seiner amerikanischen Geliebten Dorothy Iannone soll er hier hängen geblieben sein. 31 035 Dias soll Dieter Roth angeblich in Reykjavik gemacht haben. Eine unvorstellbare Zahl. So viele Häuser kann es in ganz Reykjavik damals nicht gegeben haben, so viele Häuser gibt es auch heute bestimmt nicht in der isländischen Hauptstadt. Ich gehe der Thingholtstratan entlang, bin von den farbigen, zumeist bloss einstöckigen Häusern fasziniert. Sie sehen alle so aus, als seien sie von ihren Bewohnern eigenhändig gezimmert worden. Und während ich fotografiere, stelle ich fest, dass Roth doch so viele Bilder gemacht haben könnte. Denn auch ich beginne von einzelnen Häusern mehr als ein Bild zu machen, dringe in den Garten hinter einem der Häuser vor und mache noch ein Bild und noch eines. Jetzt habe ich Mut gefasst und betrete weitere Gärten, öffne Gartentore und spüre so etwas wie eine Fotografiersucht aufkommen. Wie gerne würde ich Dieter Roths Dias sehen. Sie sind aber nirgendwo ausgestellt. Angeblich seien sie in Madrid in der Reina Sofia eingelagert und dort vor einigen Jahren zum letzten mal gezeigt worden. Eine Schweizer Galerie soll sie besitzen. Jedenfalls gibt es sie in Reykjavik nicht. Im Netz sind einige Bilder seiner Serie „Reykjavik Slides“ zu sehen. Ich schaue sie mir am Bildschirm an und staune nicht darüber, dass ich da Häuser entdecke, die ich vierzig und fünfzig Jahre nach Dieter Roth auch fotografiert habe. Und doch staune ich: Die Häuser sehen heute fast genau gleich aus wie früher. Nur die Autos, die vor einigen dieser Häuser stehen, unterscheiden sich.
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vom textkontor erwarte ich zu jedem haus einen satz oder zwei , und diese serie möchten wir gerne sehen. bilder und sätze von den nordhäusern. denn mindestens ich habe noch nie an die überschrift geglaubt, die eines der bücher von paul nizon trägt: im hause enden die geschichten. dort beginnen sie doch erst. bitte erzählen!