Es sind keine leichte Zeiten für Berufsfotografen. Seitdem die grossen Reportagenaufträge dem Spardruck der Zeitungshäuser zum Opfer gefallen sind, müssen Fotografen Themen bearbeiten, die weniger herausfordernd sind. Die Reportagen über Stadtveränderung in Bilbao oder über Familienclans auf Sizilien waren früher. Jetzt sind die Hochzeitsreportagen und Firmenfeste die wichtigen Einnahmequellen. Nie hätten sie sich das früher an der Kunstakademie oder im Praktikum ausgedacht. Reportagenfotografie für Zeitungen und Zeitschriften haben sie früher gelernt, wie man aber eine Hochzeitsgesellschaft von 60 und noch mehr Gästen so aufnimmt, dass die Bilder nicht immer gleich aussehen, müssen sie selber herausfinden. Das Brautpaar im Rosengarten, die Neuvermählten mit Eltern und Schwiegereltern vor der Kirche, das Ja-Wort vor dem Standesbeamten oder vor dem Pfarrer, das Brautpaar im Schlosshof vor dem Brunnen, Braut und Bräutigamm auf der Brücke: alles hundertfach schon da gewesen, alles Routinearbeit. Robert Wirth hat lange für Wochenendausgaben und Illustrierten gearbeitet. Zwei- oder dreimal im Jahr erhält er noch für eine Familienillustrierte einen Auftrag, der Rest ist Wochenendarbeit: Hochzeitsbilder im Grandhotel, Eheschliessung im Rathaus, das Paar am Traualtar, die Hochzeitsgesellschaft beim Essen und anschliessend beim Tanz. Und stets müssen die Bilder noch in der Nacht abrufbar sein. Kaum ist der erste Tanz vorbei, sitzt Wirth schon im Auto und ist unterwegs in sein Atelier, um die Fotografien ins Netz zu stellen. Robert Wirth hat seinen eigenen Stil gefunden. Zwar nicht sofort. Sein Stil kommt heute an. Er lässt zum Beispiel das Hochzeitspaar von den besten Freundinnen der Braut umstellen, bittet sie, sich seitlich ganz nah beieinander hinzustellen und stellt die männlichen Partner von ihnen hin, die er auf Kommando zum Bücken auffordert, um dann ein Bild zu schiessen, auf dem die Männer erstaunt und belustigt gebückt in die Kamera blicken und die Frauen über ihre Männer lachen. Wirth hat ein Repertoire von Wörtern bereit, die er die Hochzeitsgäste genau dann laut aufsagen lässt, wenn er sie fotografiert. „Schneckenscheisse“ heisst ein solches Wort, über das sie alle lachen müssen und nicht ahnen, wie fröhlich das Wort auf dem Gruppenbild wirkt. Treppenaufgänge sind Wirths Spezialitäten. Ueberraschend lange Treppen, auf denen die ganze Hochzeitsgesellschaft wie aufgeschnürt steht. Oder Treppenhäuser, in denen Hochzeitsgesellschaft nach oben zum Fotografen hin schaut. Manchmal muss Wirth lange warten, bis er die Gäste beisammen hat du fotografieren kann. Manche Hochzeitsgesellschaften seien unorganisiert und undiszipliniert, sagt der Fotograf, wenn er lange warten muss, bis er seine Bilder stellen kann. „Mir macht’s nichts aus“, meint er, „ich werde nach Präsenzstunden bezahlt“.
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Früher hab ich wie alle andern „planking“ gemacht. Und die Bilder ins Netz gestellt. Aber das ging an die Nieren, und schliesslich werde ich auch nicht jünger. Mit der Zeit wollte auch keiner meiner Bekannten mich an die abenteuerlichsten Orte begleiten und die Bilder von mir schiessen.
Dann bin ich eines Tages auf die Website von diesem Photographen Hr. Wirth gestossen. Das ist es, das wusste ich sofort. Und nun mach ich „Wedding Shot Hopping“. Wer’s nicht glaubt – ich bin die 7. von rechts oben auf der Treppe. Mit schwarzer Kurzhaarfrisur. Am interessantesten finde ich das Aufspüren der Hochzeitsgesellschaften. Die Hochzeitszeremonien finden meistens freitags oder samstags statt. Dann werf ich mir ein unscheinbares Kleid über, besser nicht auffallen. Seit ich „Wedding Shot Hopping“ mache, trage ich meine Haare kurz, so bleibe ich wandelbar.
Zuerst misch‘ ich mich unter die Gäste. Ein kleines Wort hier, ein Lächeln da. Man kann sich ja wirklich nicht mehr an alle erinnern. Ach, Sie sind die Cousine zweiten Grades…
Kurz bevor alle aufbrechen und weiterfahren zum Feiern, irgendwo in einem teuren Lokal, ruft der Photograph die Hochzeitsgesellschaft für das gemeinsame Hochzeitsbild.
Dann gilt es den richtigen Moment abzuwarten. Wenn die Familienmitglieder ganz aufgeregt zusammenströmen, schleiche ich noch lässig bei den Apérohäppchen herum. Erst wenn Freunde und Bekannte sich zum Hochzeitspaar dazugesellen, rück ich langsam näher. Hr Wirth kennt mich inzwischen. Da gilt es vorsichtig zu sein. Kurz bevor Hr. Wirth mit der Kamera sein Bild macht, spring ich schnell hinzu und reih mich ein. Meistens gelingt dies. Weil ich Hr. Wirths Marotte längstens kenne, kurz bevor er den Auslöser tätigt, huscht nämlich ein kleines seliges Lächeln über sein Gesicht. Das ist mein Augenblick. Dann muss ich springen.