Jedes Jahr stechen sie in See. Nicht als Segler. Sie sind keine Freizeitkapitäne. Sie lassen sich fahren, sie schiffen sich in Marseille oder in Genua ein, es darf auch Venedig sein, es soll einfach nicht zu weit von der Schweiz sein. Die Hurtigrutenlinie haben sie auch schon gemacht, zweimal sogar, von Bergen bis ganz oben. Das ist schon einige Jahre her. Das Wetter an der norwegischen Fjordküste war ihnen zu kalt, zu feucht, zu regnerisch, die Landschaft zu forsch. Daher entscheiden sie sich seit geraumer Zeit immer wieder für das Mittelmeer, mit Vorliebe für das östliche. Zehn Tage an Bord tun gut. Das erzählen sie gerne. Eine Aussenkabine muss es nicht sein, nicht mehr. Sie haben dazugelernt, sie haben Erfahrungen gesammelt. Denn in den Kabinen schläft man bloss, auf den Balkonen der Aussenkabine setzt man sich kaum je hin, man ist da zu sehr unter sich, dazu sind diese Balkone so eng, und überhaupt schade ums Geld, finden sie. Denn sitzen kann man viel bequemer auf so vielen Decks oder in einem der Salons. Und dann kann man sich umschauen, kann die anderen anschauen. Und lieber mehr Geld für Getränke, für alkoholische natürlich, ausgeben als für einen engen Balkon, den man ohnehin nicht braucht. Istanbul ist ihnen zu laut, sie waren schon mal dort. Wenn die MS Costa Favolosa dort anlegt, bleiben sie an Bord. Istanbul ist am schönsten vom Wasser aus, finden beide. Da bedrängt sie kein Teppichverkäufer vom Basar, da rufen ihnen die Kellner, die vor den Restaurants postiert sind, nicht dauernd zu „come here, good food, best prices“. Sie waren schon mit der MS Vision of the Seas unterwegs. In Haifa mochten sie nicht aussteigen, denn man weiss nie, wann man in Israel einem Attentat zum Opfer fallen könnte. Alexandrien genügte ihnen vom Bord aus, weil sie von den alten und unzuverlässigen ägyptischen Taxis schon so viel gehört hatten, verunfallen wollten sie nicht. Jedenfalls nicht in Ägypten. Im türkischen Antalya sollten sie sich unbedingt das 38 Meter hohe Wahrzeichen der Stadt „Yivli Minarett“ und den „Hidirlik Turm“ anschauen, sagte ihnen der Bordanimator. „Wir sehen die beiden vom Sonnendeck aus bestens“, meinten die beiden. Sie sind auch in Piräus nicht an Land, ihnen genügte der Anblick der Hafenanlagen und was sie schon alles über die Dunstwolke über Athen gelesen haben. Sie bleiben an Bord, machen keinen der Landausflüge mit, geniessen es, wenn die „Meute“, ja sie verwenden dieses Wort, von Bord geht und Ruhe herrscht. Seitdem sie sich beide in Mykonos bei einem Ausflug den Magen verdorben haben, lassen sie auch die Inseln links liegen. Sie geniessen die Tage an Bord, sie fotografieren immer wieder die Aussicht und sich gegenseitig an der Reling oder auf der Sonnenliege, vor einem Rettungsring. Sie lassen sich gerne am Esstisch, beim Tanz oder neben dem Kapitän in seiner weissen Dienstuniform fotografieren. Sie kaufen an Bord ein, denn es gibt schöne Tax Free Shops auf den Kreuzfahrtschiffen, sie tanzen jeden Abend bis spät in der Nacht, sie liegen auf dem Sonnendeck, ziehen ihre Bahnen in einem der Pools, sie ziehen sich zum Abendessen jeweils festlich an, er kommt dann im Anzug mit Krawatte an den Tisch und sie im Kostüm, sie haben in ihren grossen Koffern genügend Kleider dabei, zu viele, meint er. Landschaft vom Bord aus, das genügt ihnen, Fitnessstudio jeden Tag, Filme aus der Bordvideothek, selten auch ein Buch in der Hand, aber jeden Tag ein Ausdruck der NZZ oder des Tages-Anzeigers, die Bordcomputer und die Betreuer machen es möglich. Kreuzfahrten sind wunderbar, finden sie. Und eben: östliches Mittelmeer, wo das Wetter sicher ist. Wenn nur diese schmuddeligen Städte nicht wären, wo man so schnell reingelegt wird und sich den Magen verdirbt.
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