Es ist häufig dasselbe Bild: Die Menschen wandern in Museen von einem Saal zum nächsten. Kaum sind sie draussen, wissen sie nicht mehr, was sie gesehen haben. „Sie haben viel gesehen und wenig behalten“: Museumspädagogin Mizushima Hamano hat das schon häufig beobachtet. Deshalb hat das Museum für zeitgenössische Kunst im japanischen Kayosado ein Programm ausgearbeitet, das der Bilder- und Sehflut entgegenwirken will: Wer das Museum betritt, wird von freundlichen Mitarbeitern des Hauses in einen der Sammlungräume geführt, in dem bloss ein einziges Objekt ausgestellt ist. Alle Räume des Museums sind so eingerichtet worden: Hier ein einziges Bild, dort eine einzige Plastik, hier eine einzige Fotografie, dort ein einzige Vase hinter Glas. Die Besucher können sich auf bequeme Stühle hinsetzen. Und sie sollen sich eine ganze Stunde lang das Objekt anschauen. Anschauen und sich Notizen machen, Stift und Block sind hier inklusive: Was sehe ich? Was macht das Bild mit mir? Wie gefällt mir diese Plastik? Was wollte der Künstler wohl mit diesem Objekt ausdrücken. Das sind einige der Fragen, mit denen sich die Besucher während des Betrachtens auseinandersetzen sollen. Wer mag, kann sich anschliessend mit einer Mitarbeiterin des Museums über das Gesehene unterhalten. „Wer sich Zeit nimmt und lange hinschaut, sich zudem noch Notizen macht, der kann ganz neue Erfahrungen im Museum machen“, sagt Mizushima Hamano. So sitzen denn heute jeden Tag mehrere Museumsbesucher auf ihren Klappsitzen und Stühlen ganz still und andächtig vor einem Kunstobjekt und machen sich Gedanken und Notizen. Von dieser Art der Annäherung beeindruckt und beeinflusst, haben sich die Schweizer Tourismusmanager dazu entschlossen, an ausgewählten, landschaftlich besonders schönen Orten in der Schweiz Wanderern, die Möglichkeit anzubieten, von einem erhöhten und bequemen Sitz aus die weite Landschaft anzuschauen: Eine Stunde lang ungestört und alleine auf einem Aussichtsthron sitzen und die Landschaft betrachten. Und in einem Heft eintragen, was mit einem passiert, was man gesehen hat, wie man sich dabei gefühlt hat. Wer eine Digitalkamera dabei hat, wird zudem darum gebeten, eine einzige Aufnahme vom Gesehenen zu machen. Ob bei Sonnenschein oder Regen, bei Wind und Wetter in Ruhe in die Ferne schauen. Sich auf das Gesehene einlassen, sich konzentrieren und nicht sofort ruhelos zum nächsten Gipfel weiter eilen. Wer den Sichtplatz mit Landschaft für eine Stunde einnimmt, wird gebeten, nach dem Ausflug von zu Hause aus die Notizen und die Fotografie einem Blog im Netz zur Publikation zuzustellen. Spannend die so unterschiedlichen Einträge zur immer selben Aussicht. Weil die Idee mit den Sichtplätzen so gut angekommen ist, sollten sich interessierte Wanderer im voraus in einer elektronischen Liste eintragen, empfiehlt Projektleiter Daniel Berset.
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Ungefähr dreimal in der Woche gehe ich hin. Für eine Stunde. Zu dem Aussichtsthron. Nicht um mich hinzusetzen und die Aussicht zu geniessen wie empfohlen. Sondern um in sicherer Distanz die Wanderer zu betrachten. Wie sie hochklettern. Sich hinsetzen. Und überlegen, welche Position jetzt wohl am natürlichsten wäre. Am bequemsten auch. Denn es ist nicht einfach, so ausgestellt eine Stunde lang sitzen zu bleiben und die Aussicht zu geniessen.
Spannend was für unterschiedliche Strategien dabei eingesetzt werden. Einige machen schon das Hochklettern auf den Sitz zu einem einmaligen Erlebnis. Andere wagen sich während der ganzen Stunde nie hinter der riesigen Lehne hervor. Wiederum andere setzen sich einfach hin und geniessen. Machen gelegentlich Notizen. Oder lassen es bleiben. Schauen nur. Etliche scheitern, weil sie es nicht aushalten. Eine Stunde lang da zu sitzen und aufmerksam zu schauen.
Hin und wieder ertappe ich mich, wie ich mich umdrehe. Suchend. Nach allen Seiten. Wenn ich ein Rascheln höre im Unterholz. Und ich mich frage, ob da nicht wiederum jemand anders unterwegs ist, um mich zu betrachten. Wie ich Wanderer betrachte. Die die Aussicht betrachten.