Die Sammlung ist mit den Jahren gewachsen. Und sie wächst weiter. Jedes Jahr wenn er in der Schweiz seine Sommerferien verbringt, bringt er Neues mit. Er ist Schweizer. Er lebt seit dreissig Jahren schon in einem Vorort von Tel Aviv. Im Sommer kann es hier heiss werden, sehr heiss und feucht. Er hat die Schweiz verlassen, um in Israel zu leben. Damals aus Überzeugung. Aber er hat das Land, in dem er aufgewachsen ist, nicht vergessen. Im Flur steht ein Toggenburger Bauernschrank. Den hat er auf einer seiner Schweizer Ferienreisen entdeckt und nach Israel verschicken lassen. Ein Schrank Grün und Rot bemalt, ein Möbel aus dem 19. Jahrhundert. Auf der Schranktür sind Motive von einem Alpaufzug zu sehen. Hügel und ferne Bergkuppen im Schnee. Es ist wohl der Säntis, der in Ramat Hascharon etwas Kühle bringt. In der Toilette folgt Monat für Monat eine Berglandschaft der anderen. Der Piz Bernina, der Allalingletscher, der Pilatus. Er bewahrt die grossen Kalenderbilder auf, er hat keines der Bergbilder abgerissen, er hat keinen dieser Kalender weggeschafft: In der Garage steht sein Mazda zwischen hohen Bergen. In der Hosentasche steckt sein Victorinox Taschenmesser mit Lupe und Zahnstocher, Säge und Pinzette, mit Schere und Schraubenzieher, ein Gerät, das er gerne herumreicht und erläutert. Mittlerweile glauben seine Freunde, dass jeder Schweizer ein solches Taschenmesser besitzt. Freunde aus Israel haben sich auch solche Messer in der Schweiz besorgt. Er ist für sie „der Schweizer“, seine Nachbarn nennen ihn nicht beim Familiennamen, er ist für sie nicht Jakob Steiner. „Ha Schwezari“ sagen sie, „der Schweizer“. Er mag diesen Namen nicht, der Name ist zu nah’ beim hebräischen Wort für Aufschneider: „Schwitzer“. Die gläserne Käseplatte, die bei meinem Besuch auf dem Tisch stand, wies eine eingravierte Landkarte der Schweiz auf. Die einheimischen Käsesorten „Galilkäse gelb“ und der helle Golankäse bedeckten die Kantone St.Gallen, Thurgau und Zürich; Bern und das Wallis dienten dem Fetakäse nach bulgarischer Art als Rastplatz. An der Wand tickte ganz leise eine Uhr mit dem Logo der Schweizer Bahn mit den drei Bezeichnungen SBB, CFF, FFS. Unterhalb der drei Abkürzungen las ich die Aufschrift „Mondaine Official Railways Clock“. „Die Uhr ist Swiss made“, sagte er mit Stolz. Aber die Bahn hier könne es mit der SBB niemals in punkto Pünktlichkeit, Sauberkeit und Sicherheit aufnehmen. Dann zeigte er mir sein Halbtaxabo, das er bloss zwei Wochen im Jahr benutzt. Jakob Steiner erzählt Freunden in Israel gerne von der Zuverlässigkeit der Bahnen in der Schweiz. Als ich am Schlafzimmer vorbeiging, sah ich durch die geöffnete Tür seine Hausschuhe: Filzpantoffeln mit weissem Schweizerkreuz auf rotem Untergrund. Wirklich wahr!
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Alors ça, je n’y crois pas! Que le monsieur ait des pantoufles avec une croix suisse, alors ça non, je n’y crois pas!