„Wie bitte?“. „Wie heissen Sie“?. Wie gut er diese beiden Fragen kennt. Und wie sie ihn nerven. Immer wieder. Er kommt um diese Fragen nicht herum. Kaum hat er sich vorgestellt, wird nachgehakt, wird er gefragt: „Wie bitte?“ Oder auch: „Wie heissen Sie?“. Sein Familienname ist gut schweizerisch. Eggenberger. Den können sie sich immer merken. Aber der Vorname. Er muss ihn stets wiederholen. Ein zweites Mal also. Und manchmal ein drittes. Und dann muss er stets erklären. „Nein, nicht Stojan: Struan“. Ein schottischer Name. Seine Mutter stamme aus Schottland, der Vater sei Schweizer. Die beiden hätten sich in England kennengelernt. Geboren und aufgewachsen sei er in der Schweiz. Und er habe immer hier gelebt. Er nennt seinen Vornamen nochmals. „Und wie wird Ihr Name geschrieben?“. Jetzt buchstabiert er seinen Vornamen: S t r u a n. „Stojan?“ Heisst es dann manchmal ein zweites Mal. „Also aus Ex Jugoslawien?“. Nein Struan! S t r u a n! „Turan?“, hat schon jemand gefragt. „Türkisch?“ Sein Name sei schottisch wiederholt er. Und er fügt an: Ein seltener Vorname. Auch in Schottland selten. Und was der Name bedeute? Er weiss es nicht. Er weiss nur, dass es der Name zweier Ortschaften in der Region Perthshire und auf der Isle of Skye ist. Aber er sagt es nicht. Denn jetzt müsste er erklären, wo Perthshire oder die County of Perth und die Isle of Skye liegen. Und dann müsste er wohl noch nachhaken und nochmals erläutern, wo die Hebriden liegen und dass man auf der Inselgruppe Schottisch-Gälisch spricht. Er hätte auch anders heissen können: Manachan oder Tavaghlan. Dann doch lieber Struan. Weshalb haben ihm seine Eltern bloss nicht noch einen zweiten, einen schweizerischen Vornamen gegeben: Heinz oder Paul zum Beispiel, Lukas oder Tobias?. Dann hätte er seinen schottischen Vornamen an zweiter Stelle gesetzt. Heinz S. Eggenberger. Oder Paul S. Eggenberger. Aber er hat leider keinen zweiten Vornamen. Er spricht seinen Vornamen absichtlich englisch aus. Umsonst. „Ex-Jugoslawien?“.
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„Das gibt’s doch nicht. Struan. Ich kann’s nicht glauben.“ Sie knabbert an ihrer Unterlippe. Wie immer, wenn sie aufgeregt ist. „Struan. Jahrelang höre ich nichts mehr von ihm. Und dann finde ich seinen Namen. Zufällig. Im Netz. Beim Recherchieren für ein Projekt.“ Sie lehnt sich zurück. Spürt, wie ihr Herz schneller pocht als üblich. Das hätte sie nicht gedacht. Dass sie Struan immer noch in Aufregung versetzt. Nach so langer Zeit. Sie war ihm vor zehn Jahren begegnet. Zufällig. Sie hatte ihre Uhr verloren. Vor dem Museum. War untröstlich und hatte gleich anderntags eine Mail ans Fundbüro geschickt. Nach ihrer Uhr gefragt. Und prompt kam die Antwort. Ja, die sei gefunden worden. Direkt vor dem Eingang. Eine Woche später fuhr sie hin, zum Fundbüro, sie abzuholen. Vor dem Schalter wartete eine Handvoll Menschen. Wie sie. So dass sie nervös hin und her trippelte. Sie wollte ihren Zug nicht verpassen. „Na, wollen Sie keine Zeit verlieren.“ Er grinste. Unverschämt, fand sie. „Jaja, Zeit ist das einzige, was man auf dem Fundbüro nicht zurück holen kann.“ Sie erinnert sich noch genau, wie sie diesen Spruch platt fand. Aber wie sie ihre Uhr endlich wieder hatte, stand er immer noch da. „Jetzt haben Sie wieder, was Sie verloren. Spendieren Sie mir zur Feier des Tages eine Runde Zeit.“ Sie war baff. So dass sie nicht anders konnte, als mit ihm ins nächste Café.
„Struan.“ Sie guckte irritiert. „Ja, mein Name ist Struan. S-t-r-u-a-n.“ Der sei aus dem Schottischen. Und er sei eigentlich auf dem Sprung. „… eine grosse Reise… alles hinter mir abbrechen…. bleiben, an irgendeinem Ort… weit weg… wo es mir gefällt… mich unauffindbar machen… in Ruhe leben… ein ganz anderes Leben… als das bisherige…“. Dabei rollten seinen Augen vielversprechend. Sie fand das toll, besonders, einzigartig. So wie seinen Namen. Struan. Auf alle Fälle, es blieb nicht bei dem einen Kaffee…
3 Monate später fand sie, dass sein Name das einzig Vielversprechende an ihm war. Und er nur vom Reisen erzählte und nie wirklich gehen würde. So dass sie sich aufmachte. Sie verloren sich aus den Augen. Schleichend. Trotz Kartengrüssen. Und es gab nie wirklich Anlass, sich wieder zu finden.
„Struan.“ Sie spricht seinen Namen leise vor sich hin. Mit englischem Akzent. So wie er es mochte. Ihre Finger klicken dabei über die Tastatur. Der Projektbeschrieb muss heute noch raus.
Oh ja, lieber Michael, die Hebriden und das Gälische. Eine schöne Geschichte. Und es kommt in den Sinn, dass man „Wie bitte“ sagen müsste, wenn die Nachbarin in Berlin „Freudenhammer“ sagt, Name: „Freudenhammer“. Ja – und ist eine trostlose junge Frau. Man kann sie aber nicht fotografieren, denn sie öffnet nur selten. Und ich klingle bei ihr nur, wenn ich dem Postboten ein Paket für sie abnehme und dann immer neu zu versuchen habe, das schwere Stück zu übergeben.